“Aber schiessen müsst ihr”

Zum heutigen 80. Jahrestag des Massenmords an den Kiewer Juden in Babyn Yar am 29./30. September 1941.

Wehrmacht begrüßt Maßnahmen und erbittet radikales Vorgehen“ telegrafierte der damals 67jährige, eigentlich schon 1925 pensionierte Generalmajor Kurt Eberhard, der aus der Rente reaktiviert, im September 1941 Stadtkommandant der deutschen Besatzungsmacht im von der Wehrmacht besetzten Kiew wurde, nach Berlin. Und bedingte sich gegenüber dem Chef des SS-“Sonderkommandos” 4a, Paul Blobel, der seiner Hilfe bedarf, um Ende September 1941 alle jüdischen Einwohner Kiews zu ermorden, für seine Mithilfe aber aus: “Aber schießen müsst ihr”. Genau heute vor 80 Jahren half er mit seinem Kommando über tausende Wehrmachtssoldaten, die die Kiewer Juden zusammentrieben, mit, über 33000 Menschen in einer Schlucht am damaligen Stadtrand, Babyn Jar, die “Altweiberschlucht” – heute ein Park mitten in der Stadt – zu ermorden. Sein Mit-Tuen und Nichts-dagegen-Tuen steht beispielhaft für die Schuld von hunderttausenden Deutschen in Uniform am “Holocaust durch Kugeln”, dem mehr als eine Million Juden in der Ukraine binnen weniger Monate zum Opfer fielen.

Der Kiewer Stadtkommandant Kurt Eberhard (1874-1947)

1947 nahm sich Kurt Eberhard, 73jährig, in US-Militärhaft das Leben. Paul Blobel, verurteilt im Nürnberger “Einsatzgruppenprozess” wurde 1951 hingerichtet. Die meisten Männer unter ihrem Kommando kamen unbehelligt davon. Es ging nicht darum, dass sie wie Eberhard oder Blobel – diese sicher berechtigt – mit ihrem Leben für ihre große Schuld bezahlten. Aber es war auch traurig, dass fast keiner von ihnen überhaupt je juristisch belangt wurde. Die aktuellen letzten Nazi-Verbrecher-Prozesse, gemäß einer neuen Auffassung der Rechtssprechung, gegen nun fast 100jährige Täter, darunter einen 99jährigen, der konkret für seine Mittäterschaft in Babyn Yar angeklagt ist, richten sich gegen Menschen, die damals sehr jung waren und weit unten in der Befehlskette standen, aber halt trotzdem mitgemacht haben, zeigen aber, wie es hätte auch gehen können. Dieses Justiz- und Politikversagen ist eine zweite deutsche Schuld, weit nach 1945.

Lesenswert an dem heutigen, traurigen Gedenktag. ” Massaker von Babyn Yar – die begrabene Erinnerung. https://www.faz.net/aktuell/politik/massaker-von-babyn-jar-die-begrabene-erinnerung-14457465.html

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert