Unterwegs in Usbekistan

Eindrücke meiner zweiwöchigen Reise durch Usbekistan, nach Taschkent, Samarkand und Buchara. In dem Land zwischen den zentralasiatischen Flüssen Sirdarja und Amudarja, dem antiken Oxos, durch das einst die Seidenstraße verlief, ist trotz der Stürme der Zeit viel orientalischer Zauber erhalten. Die vielen islamischen Medressa-Schulen von Buchara und Samarkand zeugen davon, dass dieses in den Augen der Europäer entlegene Land einst nicht nur politisch, sondern auch wissenschaftlich ein Zentrum der Welt war. Heute ist es auch politisch interessantes Land im Aufbruch.

Die berühmtesten Gelehrten des Landes waren der in Buchara aufgewachsene Vater der Medizin, Avicenna (10. Jahrhundert), dessen „Kanon der Medizin“ jahrhundertelanges Lehrwerk in Ost und West war und der „Astronomenprinz“ Ulugh Beg (15. Jahrhundert), der hundert Jahre vor Kopernikus und zweihundert Jahre vor Galileo in einem in Samarkand bis heute in Teilen erhaltenen Sonnen—und Sternen-Observatorium u.a den Lauf der Planeten durch unser Sonnensystem erforschte. Und die Länge des Sonnenjahres auf 365 Tage, 6 Stunden und 8 Sekunden bestimmte – was weniger als eine Minute von dem heute mit moderner Technik ermittelten Wert abweicht. Ulugh Beg war als Enkel von Emir Tamerlan/Timur, der von Samarkand ein Weltreich beherrschte, das bis nach Indien und Nahost reichte, nicht nur Wissenschaftler, sondern selbst ein mächtiger Mann. Überliefert ist sein Zitat: „Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Zarenreiche zerstören sich von selbst, aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben für alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht eines jeden!“

Das heutige Usbekistan ist ein Land im Aufbruch. Nach dem Ende der Sowjetunion herrschte 25 Jahre lang als „erster Präsident“ der einstige kommunistische Spitzenfunktionär Islam Karimow, bis zu seinem Tod 2016. Auch sein Nachfolger Shavkat Mirziyoyev regiert diktatorisch. Abends im Staatsfernsehen ist er omnipräsent als Wohltäter und Macher.

Mirziyoyev das Land aber anders als sein Vorgänger geöffnet, vor allem auch gen Europa. Junge Usbeken werden ermutigt, u.a. auch in Europa zu studieren. Seit 2017 brauchen Europäer kein Visum mehr, das Land wirbt um Investitionen europäischer, auch deutscher Firmen. Nach wie vor im Machtbereich der Hegemonie des einstigen Kolonialherren Russland und in geographisch höchst ungünstiger Lage sucht das Land neue Partner.

Schon Karimow ließ alle an die Sowjet-Zeit erinnernden Denkmäler, Straßen- und Ortsnamen beseitigen. Ein von ihm errichtetes „Museum der Repression“ in der Hauptstadt Taschkent stellt 130 Jahre der russischen und später sowjetischen Okkupation des Landes als Unterdrückung und opferreichen Freiheitskampf der Usbeken dar. Und preist die Befreiung durch den Untergang der Sowjetunion 1991, seitdem es nur noch aufwärts ginge. Als Ersatz für den sowjetischen Kult um Lenin baute er einen neuen Kult um den mittelalterlichen Herrscher Tamerlan, Timur Lenk, hier Amir Temur genannt, mit vielen Denkmälern, und prächtig restaurierten Palästen, Moscheen und Medressen aus dessen Herrschaftszeit und der seiner Nachfolger. In Taschkent erinnert eine Gedenkstätte an den 1938 von den Sowjets ermordeten usbekischen Schriftsteller Abdulla Quodiri. In einem Kaufhaus in Taschkent erinnert aktuell eine von Präsidentengattin Saida beschirmte Ausstellung an das Schicksal junger Usbeken, die in den 1920er Jahren in Berlin studierten. Und nach ihrer Rückkehr in die Sowjetrepublik Usbekistan fast alle Stalins „Großen Terror“ zum Opfer fielen. Von heutiger politischer Verfolgung schweigen all diese Ausstellungen. Bei „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Usbekistan in Sachen Pressefreiheit auf Rang 148 von 180. Politische Verfolgung richtet sich daneben auch gegen Islamisten.

Von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung zeugen u.a. die vielbefahrenen Straßen der Hauptstadt Taschkent. Dort dominieren die im Land selbst von einem Werk von GM hergestellten „Chevrolet“, fast alle weiß, wegen der sommerlich großen Hitze. Deutsche Autos – auf die wie auf alle ausländischen Verbrenner bis jetzt sehr hohe Zölle liegen – gibt es praktisch keine. Dafür aber viele chinesische Elektroautos von BYD und Li. E-Autos dürfen zollfrei eingeführt werden. Trotzdem sind deutsche E-Autos überhaupt nicht vorhanden – gegen die günstigen Preise der Chinesen können sie offenbar nicht an.

Usbekistan hat große Gasvorkommen. Es fördert pro Jahr rund 45 Milliarden Kubikmeter Erdgas (entspricht zum Vergleich der Hälfte des deutschen Jahresverbrauchs). Trotzdem strebt die Regierung einen schnellen Umbau zu erneuerbaren Energien an. Ziel bis 2030 ist es, 54 Prozent der Energie durch Erneuerbare zu erzeugen, vor allem durch Photovoltaik und Wind. U.a. in der Provinz Karalpakstan, wo der fast ausgetrocknete Aralsee liegt, soll ein gigantischer Windpark entstehen. Wirtschaftlich soll das BIP/Kopf bis 2030 von derzeit ca. 2500 US-Dollar/Kopf auf 5000 Dollar pro Kopf wachsen.

Für Touristen aus Europa ist Usbekistan ein sehr preisgünstiges Reiseland. Taxi-Fahrten kosten umgerechnet ein oder zwei Dollar, ein Abendessen in einem schönen Restaurant fünf oder zehn Dollar. Die 260 Kilometer lange Fahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug „Afrosiyob“ von Taschkent nach Samarkand kostet 20 Dollar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert