Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, im Gespräch mit SUPERillu-Politikchef Gerald Praschl.
Das Gespräch mit dem ehemaligen SPD-Bundesvorsitzenden und Brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, der seit März 2014 das Deutsch-Russische Forum leitet, fand am 29. Mai 2014 im „Russischen Teehaus“ in Potsdam statt. Erschienen in SUPERillu, Heft 24/2014.
Bei der Bewertung der Russland-Krise zeigen sich deutliche Ost-West-Unterschiede. Woran liegt das?
Matthias Platzeck: Ich kann nur von mir sprechen. Ich bin quasi unter Russen groß geworden, bis zu 40 000 Soldaten der Roten Armee lebten in und rund um Potsdam. Ich habe heute noch den Geruch von russischem Benzin in der Nase. Aber ich hatte auch eine gute Russischlehrerin, die uns nicht nur die Sprache, sondern ebenso viel von der Kultur vermittelte. Auch als Politiker war ich oft in Russland. Brandenburg hat gute Wirtschaftskontakte nach Osten.
Die USA fordern harte Sanktionen gegen Russland. Deutschland scheint auf der Bremse zu stehen …
Die USA und die EU sind die engsten Verbündeten. Unsere Interessen und unsere Sicht sind aber nicht immer identisch. Für uns Deutsche bleibt es wichtig, Brücken nach Russland zu halten und wieder ein vernünftiges Verhältnis anzustreben.
Mit gutem Zureden alleine wird bei Putin,einst „Tschekist“ bei der sowjetischen Geheimpolizei KGB, aber wenig zu holen sein …
Zweifellos trägt Wladimir Putin, trägt vielleicht ganz Russland, ein anderes Wertesystem in sich, das mit dem unsrigen nicht unbedingt vereinbar ist. Aber die Vergangenheit eines Menschen kann nicht das einzige Kriterium sein, ihn zu beurteilen. Er ist zumindest ein rational denkender Mensch, ein nüchterner und realistischer Politiker. Ich setze auf seine Vernunft. Und was nach ihm kommt, wissen wir doch alle nicht.
Putins Staatsfernsehen prophezeit dem Westen den Untergang und verbreitet Propagandalügen wie im Kalten Krieg …
Es ist sicher mehr als eine Krise. Wir haben eine neue Konfliktlinie in Europa, zwischen Autoritarismus und Liberalität. Manche nennen es einen neuen Kalten Krieg. Aber das stimmt nicht ganz. Teilweise verläuft diese Konfliktlinie zwar zwischen der EU und Russland, teilweise aber auch innerhalb der EU. Das zeigen auch die Wahlergebnisse der Europawahl. Viele der rechten Parteien, die dabei Erfolge verbuchten, in Großbritannien, Ungarn oder Frankreich, vertreten autoritäre Tendenzen. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen.
Was halten Sie von der gerade gewählten, neuen ukrainischen Führung?
Lassen Sie uns doch dem neu gewählten Präsidenten Petro Poroschenko vertrauen, der verspricht, auch mit den Menschen in der Ostukraine zu reden und Kompromisse zu suchen. Ich habe auch Verständnis, dass man nicht tatenlos zuschauen kann, wenn Separatisten sich bewaffnen und gewaltsam agieren, aber ohne Gespräche wird es nicht gehen. Bürgerkrieg ist keine Alternative. Es wird eine Gratwanderung. Ich wünsche auch Vitali Klitschko alles Gute in seinem Amt als Kiewer Bürgermeister. Er wird es nicht einfach haben. Ein Wahlsieg ist schön, aber dann kommen die Mühen der Ebene. Das kenne ich aus eigener Erfahrung.