„Julias Knast“: Ein Besuch im Katschaniwska-Gefängnis von Charkiw (Ukraine)
Im November 2013 will die Ukraine einen historischen Schritt vollziehen, beim EU-Gipfeln in Vilnius einen Freihandels – und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen, dass das Land auf den „Weg nach Westen“ bringen soll. Nicht nur wüste Drohungen mit einem Handelskrieg aus der russischen Hauptstadt könnten die Unterzeichnung noch stoppen. Sondern vor allem der Fall Julia Timoschenko.
Denn viele EU-Politiker fordern, dass sie freigelassen wird, bevor sie ihre Unterschrift unter den Vertrag setzen. Im Interview mit SUPERillu-Chefreporter Gerald Praschl (http://www.praschl.net/zeitgeschichte/214-interview-mit-nikolai-asarow) gibt sich Asarow hart. Auch die goldene Brücke, die ihm EU-Politiker bauten, sie zur „medizinischen Behandlung“ nach Berlin ausreisen zu lassen, will er nicht. In der Kritik des Westens sind auch die Haftbedingungen. Von angeblicher Isolierung ist die Rede, Julia Timoschenko selbst erhob gar Vorwürfe körperlicher Misshandlung. Der Stellvertretende Chef der Staatlichen Gefängnisverwaltung, Sergij Sidorenko, weist diese Vorwürfe in einem Gespräch mit SUPERillu zurück. Von einer Isolierung Timoschenkos könnte keine Rede sein, so Sidorenko und rechnet vor, dass sie während ihrer bisher rund zweijährigen Haftzeit 408 Besuche mit einer Gesamtdauer von 787 Stunden und 33 Minuten bekommen habe, darunter 323 Treffen mit ihren Anwälten, daneben Besuche von vielen europäischen Politikern und von ihren Berliner Ärzten. Sie empfange daneben regelmäßig Pakete von Verwandten mit frischem Obst und Gemüse, Nüssen, Milch- und Fleischprodukten, darüber hinaus Kleidung, inzwischen mit einem Gesamtgewicht von rund 4 Tonnen.
Gelegentlich bestelle sie sich in einem Charkower Restaurant per Lieferservice etwas zu essen, was die Gefängnisverwaltung ermögliche. Timoschenko ist seit August 2011 inhaftiert, zu sieben Jahren Haft wegen angeblichem Hochverrat verurteilt. Ende Dezember 2011 wurde sie in die Charkiwer „Besserungskolonie“ Katschaniwka Kolonia verlegt, einer Frauenhaftanstalt im Osten des Landes. Seit Mai 2012 liegt sie in – wegen Rückenschmerzen krank geschrieben – in einer Haftstation eines örtlichen Krankenhauses. Mit Sidorenkos Genehmigung besuchten SUPERillu-Chefreporter Gerald Praschl und Fotograf Nikola Kuzmanic das Charkiwer Frauengefängnis Katschaniwska Kolonia, siehe die Bilderstrecke zu diesem Beitrag. Viele Teile des einstigen Sowjet-Gefängnisses wurden modernisiert, zum Beispiel alle Sanitärräume, es gibt auch einige Therapie- und Freizeitangebote – was blieb ist allerdings das alte Haftregime. Wie zur DDR-Zeit herrscht Arbeitspflicht, die 700 inhaftierten Frauen nähen im Akkord Uniformen und Arbeitskleidung, sind in Zehn-Bett-Schlafsälen unterbracht, tragen Haftkleidung, die an alte Gulag-Tage erinnert. Darauf angesprochen, meinte Sidorenko, er bedauere das, man könne das aber mangels finanzieller Möglichkeiten nicht so schnell verändern.
Fotos v.l: Praschl im Hof des Gefängnisses Katschaniwska Kolonia in Charkiw, im Hintergrund Häftlinge. Für die 700 weiblichen Häftlinge herrscht Arbeitspflicht, die Gefangenen nähen unter anderem Uniformen und Arbeitskleidung. Ein Häftlingsessen in der Kantine, das Brot wird im Gefängnis frisch gebacken. Der Vize-Chef der Ukrainischen Gefängnisverwaltung, Sergij Sidorenko erläutert im Gespräch seine Position zum Fall Timoschenko. Unten mittig Praschl mit einer Gefängnismitarbeiterin in der extra für Julia Timoschenko gebauten Zelle, die zwar luxuriös, aber auch vom Rest des Gefängnisses isoliert und kameraüberwacht is (siehe die Kamera oben links in der Ecke). Das Gefängnis ist ansonsten stark modernisiert, verfügt über moderne Toiletten und Waschräume, einen großen Garten und sogar ein Fitnessstudio und ein Gewächshaus (rechts). Alle Fotos: Nikola Kuzmanic (http://www.fotonikola.com/)