Thomas Thieme: Warum ich nicht mehr in der DDR leben wollte

Thomas Thieme als DDR-Minister in "Das Leben der Anderen" 2006
Thomas Thieme als DDR-Minister in „Das Leben der Anderen“ 2006

Im Film „Das Leben der Anderen“ spielt er einen Minister, der seine Macht missbraucht. In der Realität kehrte der Schauspieler der DDR 1984 den Rücken. Und hat das nie bereut.

Thomas Thieme, 1948 in Weimar geboren, spielt in »Das Leben der Anderen« den mächtigen Minister Bruno Hempf, der die Stasi auf den Schriftsteller Georg Dreyman ansetzt. Hempf behauptet, Dreyman müsse überwacht werden, weil er regimefeindlich denkt. In Wirklichkeit hat Hempf ein Verhältnis mit Dreymans Freundin, will den Nebenbuhler aus dem Weg räumen. Die Figur des »Ministers« erinnert an den Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke (1907 – 2000), den »Herrn der Angst« in der DDR. Mielke war von 1957 bis 1989 Chef der Stasi.Dass Mielke seinen Apparat missbraucht hätte, um ein Liebesverhältnis zu pflegen, ist unwahrscheinlich.Privat galt er als treuer Ehemann und braver Familienvater.Ansonsten war er aber in der Tat ein skrupelloser Machtpolitiker. Er versorgte sich selbst und die SED-Funktionäre mit Privilegien, ließ Millionen DDR-Bürger überwachen. Und schreckte auch nicht davor zurück, Menschen einzuschüchtern, grundlos einzusperren oder gar »verschwinden zu lassen«. Auch  Thomas Thieme musste mit diesem Apparat Erfahrungen sammeln. In der DDR bereits ein erfolgreicher Schauspieler, verließ er das Land 1984 »legal« per Ausreiseantrag.Wer damals wie Thieme seine Ausreise forderte,hatte in aller Regel mit harten Schikanen zu rechnen. Er verlor seinen Beruf, in der Regel auch sein Vermögen, wurde überwacht.Viele »Antragsteller« landeten sogar im Gefängnis.

 Es fällt Thieme auch heute schwer, darüber zu reden. Er habe nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht,meint er.Aber er wolle damit nicht hausieren gehen. Andere hätten sicher größere Probleme gehabt, er fühle sich nicht als Opfer.Thieme: „Eine Menge Schauspieler in der DDR haben sich doch täglich mit diesem SED-Staat abgequält. Auch wenn man nicht gleich überwacht und verfolgt wurde,litt man geistig darunter. Uns ging es nicht anders als den meisten DDR-Bürgern.“

„Dass wir heute zu wenig darüber reden,hat auch damit zu tun, wie reißerisch und undifferenziert bis heute mit dem Thema umgegangen wird.Das ist unseriös und hat uns in der dringend notwendigen Debatte über die Vergangenheit nicht weitergebracht. Im Gegenteil:Die Tatsachen stehen auf dem Kopf.Der Film »Das Leben der Anderen« dagegen bemüht sich,ein  differenziertes Bild zu zeigen.Es gibt ja auch Filme, die humorvoll mit der DDR-Vergangenheit umzugehen versuchen wie »Sonnenallee« oder »NVA«. Ich finde diese Filme nicht besonders interessant. Ich weiß ja nicht, ob und wo der Regisseur dieser Filme gedient hat und ob es bei ihm wirklich so witzig zuging.Ich war selbst bei der NVA, bei mir ging es anders zu. Ich denke, dass nur sehr, sehr wenige DDR-Bürger diese plattwitzigen Erinnerungen mit ihrer Wehrdienstzeit verbinden.“ Die Qual mit den Spitzeln. „Wie soll man nun korrekt mit der DDRVergangenheit umgehen? Keine Ahnung! Aber sicher nicht so,kleine Spitzel wie zuletzt einen Eiskunstläufer als die vermeintlich Alleinschuldigen durch den Kakao zu ziehen und die früheren Anführer dieses Verbrechersyndikats von SED und Staatssicherheit als Prominente zu hofieren.Auf der anderen Seite ist es sehr traurig, dass sich kaum ein ehemaliger Spitzel aus der Deckung wagt, sich entschuldigt oder wenigstens erklärt. Stattdessen erleben wir immer wieder, wie die Leute bis zuletzt leugnen oder sich herausreden.Und weiter tricksen und ihre Anwälte vorschicken, statt die Wahrheit auf den Tisch zu legen. Menschen zu bespitzeln, gehört zum Ekelhaftesten,was man tun kann. Es hat bittere Notsituationen gegeben und Menschen, die so schwach waren,dass sie keinen anderen Weg sahen, als dem Druck der Stasi nachzugeben und für sie zu spitzeln. Aber alle anderen haben eine schwere moralische Schuld auf  sich geladen.Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, noch Schüler, wollten sie mich anwerben. Ich habe mich damals meinem Vater offenbart,und sie ließen von mir für immer ab. Ich arbeitete später als Schauspieler in Magdeburg und Halle. 1981 stellte ich einen Ausreiseantrag und verließ nach den üblichen Schikanen drei Jahre später diesen Staat für immer.“

„Was mir das Leben in der DDR unerträglich machte,waren weniger Honecker und Mielke als die allgemeinen Verhältnisse.Es war muffig, schmierig, duckmäuserisch in der DDR.Reine Selbstzensur! Und wer raus wollte,wurde erschossen! Außer  natürlich die kleine Minderheit, die einen Pass hatte,die frei reisen konnte, darunter auch viele Künstler.Die fuhren Samstag früh zum Einkaufen ins Kaufhaus KaDeWe nach West- Berlin.Und hauten sich dann im Garten in Ost-Berlin die Scampi auf den Grill. Für die war natürlich, wie Wolf Biermann treffend meint, der Kommunismus schon ausgebrochen.Kein Wunder, dass sie dem SED-Staat meist völlig unkritisch gegenüberstanden. Einige trauern ja heute noch. In diesem Zusammenhang dünstet auch die unsägliche Nostalgie von Palast der Republik bis Kessel Buntes. Ein Triumph des schlechten Geschmacks.In so einem Land wollte ich nicht leben.“

Text: Gerald Praschl

Mehr über „Das Leben der Anderen“ und das wahre DDR-Leben der Darsteller hier.

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