„Gottseidank ist dieser DDR-Irrsinn vorbei“

1,7 Millionen Zuschauer sahen alleine in Deutschland „Das Leben der Anderen“ im Kino. Inzwischen läuft der Film in 30 Ländern, auch in den USA. Von dort bekam er am 25. Februar 2007 die höchsten Weihen: den Oscar als bester ausländischer Film. Der 33jährige Kölner Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der den Film gedreht hat, wuchs selbst im Westen auf. Ulrich Mühe, der Hauptdarsteller (Stasi-Hauptmann Wiesler) ist ein ehemaliger DDR-Bürger. Als prominenter Schauspieler der DDR in den 80er Jahren lernte er selbst das Spannungsfeld zwischen „Zuckerbrot und Peitsche“ kennen, mit der die DDR-Staatssicherheit im Auftrag der SED DDR-Spitzenkünstler reglementierte.

Autor Gerald Praschl mit Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck - am Berliner Flughafen Tegel nach Donnersmarcks Rückkehr von der Oscar-Verleihung 2007
Autor Gerald Praschl mit Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck – am Berliner Flughafen Tegel nach Donnersmarcks Rückkehr von der Oscar-Verleihung 2007

2006 führte ich eine Reihe von Interviews mit den Machern und Darstellern  von „Das Leben der Anderen“, von denen, wie Ulrich Mühe, viele aus der DDR stammen und mir von ihren Erlebnissen mit Repression  und Überwachung berichteten, Volkmar Kleinert, Thomas Thieme, Hans Uwe Bauer und Volker „Zack“ Michalowski.

Hauptdarsteller Ulrich Mühe und Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck  traf ich in einem Kino in Magdeburg zum Interview.

Herr Mühe, Sie waren selbst prominenter DDR-Schauspieler. Wie realistisch ist der Film »Das Leben der Anderen«?

Mühe: Das ist alles sehr real. Genau wie der Film zeigt, rieben die meisten von uns sich wirklich täglich an den Widersprüchen zwischen dieser Ideologie und der Realität. Da ging es uns sicher nicht anders als den meisten DDR-Bürgern.

Der Film »Das Leben der Anderen « erzählt die Geschichte eines DDR-Künstlers, der von der Stasi überwacht wird. Von der Stasi-Abteilung XX/7, die auch Sie damals bespitzelte. Was steht denn in Ihren Stasi-Akten?

Mühe: Ich war erstaunt, dass die Stasi schon während meiner Studienzeit 1976 eine Akte über mich eröffnete. Ich wollte als Student kurz nach der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann Unterschriften sammeln für eine Petition für Biermann,die wir nach Berlin schicken wollten.Woraufhin mir mein Leiter an der Uni den Rauswurf androhte. Ich fand in meiner Akte außerdem Spitzel- Berichte von Nachbarn und Kollegen über mich. Das alles kann man natürlich nicht vergleichen mit den schlimmen Dingen, die Menschen erlebt haben, die wegen ihrer politischen Überzeugung eingesperrt wurden.Oder die von der Stasi mit massivem Psychoterror überzogen wurden. Ich fühle mich nicht als Opfer der Stasi.

Ulrich Mühe, porträtiert im Rahmen unseres Interviews in Magdeburg 2006 von Nikola Kuzmanic. http://www.fotonikola.com/
Ulrich Mühe, porträtiert im Rahmen unseres Interviews 2006 von Nikola Kuzmanic. http://www.fotonikola.com/

Viele DDR-Schauspieler gingen nach Konflikten mit dem Regime in den Westen, wie Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl oder Jürgen Heinrich. Sie sind bis 1989 geblieben…

Mühe: Ich hatte mir seit 1985 die Möglichkeit geschaffen, jederzeit in den Westen reisen zu können, um auch dort als Schauspieler zu arbeiten. Das war natürlich ein großes Privileg, ich gebe es zu. Immer, wenn ich in West-Berlin war, hatte ich da im Hinterkopf den kleinen Störenfried, der mir sagte: Bleib doch einfach da! Wieso fährst du denn wieder zurück? Auf der anderen Seite war einer, der sagte: Du bist an einem tollen Theater in Ost-Berlin, bekommst dort Traum-Rollen. Deine Eltern leben da. Du hast dort deine Familie. Die DDR war meine Heimat. Und die kann man halt nicht mitnehmen. So bin ich nach jedem West-Besuch wieder nach Hause gefahren. Insbesondere die letzten Jahre in der DDR waren für mich auch sehr wichtige und intensive Zeit. Das Theater war doch einer der wenigen Orte im Lande, in dem sich die Leute nicht belogen fühlen mussten. Ich emfpand auch eien Verantwortung, dieses kostbare Gut zu bewahren.

Herr von Donnersmarck, Sie stammen aus dem Westen und waren zur Wende 1989 erst 16 Jahre alt. Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie das Leben in der DDR war?

Donnersmarck: Die DDR und die Teilung Deutschlands waren bei uns in der Familie immer ein großes Thema. Meine Mutter ist in Sachsen-Anhalt aufgewachsen. Klar, ich habe nicht dort gelebt. Aber als Autor und Regisseur muss man sich in jede Situation hineindenken können. Ich habe bei der Recherche mit Experten und vielen Stasi-Opfern gesprochen. Und natürlich auch mit Stasi-Offizieren.

Vielleicht wären Sie ja auch bei der Stasi gelandet, wenn Sie im Osten geboren worden wären…

Donnersmarck: Ich kann mir gut vorstellen, dass ich in einige Ideologiefallen getappt wäre. Aber ich würde hoffen, dass ich, wie ein großer Teil der Bevölkerung der DDR das ja auch tatsächlich getan hat, erkannt hätte: Für so einen Sozialismus will ich nicht eintreten.

Mühe: … das wäre ja furchtbar, wenn nur die Leute Filme machen dürften, die das alles selbst erlebt haben.

Wie denken denn diese Ex-Stasi-Offiziere darüber heute?

Donnersmarck: Reue begegnete mir nicht. Die meisten waren gläubige Kommunisten. Und halten das, was sie getan haben, noch heute für richtig. Sie boten mir aber einen interessanten Blick auf ihre Sicht. Es sind überwiegend sehr gebildete, intelligente Leute. Die Stasi brauchte keine Knochenbrecher wie einst die Gestapo, sondern Spezialisten für ihren ausgefeilten Psychoterror, mit dem sie versuchten, die Seelen der Menschen zur brechen.

Mühe: Trotzdem denke ich, dass die Revolution von 1989 auch deshalb friedlich verlief, weil bei er Stasi und SED kaum noch einer an das System geglaubt hat. Sie waren nicht mehr bereit, die Waffen zu zücken, um an der Macht zu bleiben. In den letzten Jahren der DDR haben sich doch selbst die Funktionäre den Sozialismus nur noch vorgespielt, ein großer Spuk. Ich erinnere mich noch gut an die Mai-Demo 1989. In welches Gesicht man auch blickte: Man sah den Leuten an, dass sie das alles nicht mehr glaubten.

Wenn von Stasi die Rede ist, dann meist, wenn ein Künstler, Politiker oder Sportlerals IM enttarnt wird. Schaden solche Enthüllungen nicht dem Ansehen der Ostdeutschen?

Mühe: Natürlich beschämt mich, dass es den SED-Staat und sein Spitzelsystem gab. Auch wenn der Einzelne nur wenig gegen diesen Apparat machen konnte, frage ich mich, wie wir dieses System so lange ertragen konnten. Wenn man sich heute damit beschäftigt, kommen einem immer mehr Dinge von damals absurd vor. Aber auch im Westen gab es ja leider genügend Leute, die die SED-Propaganda für bare Münze nahmen.

Gerade hat CSU-Politiker Peter Gauweiler gefordert, dass man die Stasi-Akten schließen solle…

Mühe: Die Stasi-Akten müssen offen bleiben. Es gibt doch viele, die sich erst heute trauen, in ihre Akten reinzuschauen. Die einfach diesen zeitlichen Abstand brauchten, um die Kraft dafür zu sammeln. Diese Zeit muss man ihnen lassen.

Fühlen Sie sich als „Deutscher zweiter Klasse“?

Mühe: Heute nicht mehr. Aber es hat schon genervt, dass mich noch viele Jahre nach der Wiedervereinigung viele Medien als „ehemaligen Oststar“ bezeichneten. Das ist auch ein Stück Rassismus, wenn man es hart formuliert. Man hätte doch auch Uschi Glas nicht als „ehemaligen Weststar“ bezeichnet.

Sie haben die Wende-Demo am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz mitorganisiert, die zum Sturz der SED beitrug…

Mühe: Korrekterweise muss man sagen: Wir haben damals für eine gewandelte DDR demonstriert und nicht für die Wiedervereinigung. Unser Anspruch war sicher vermessen. Fünf Tage später fiel die Mauer und die DDR hatte sich erledigt. Ich bin heute sehr glücklich, im vereinten Deutschland zu leben. Gott sei Dank ist dieser DDR-Irrsinn vorbei!

Das Interview führte Gerald Praschl 2006 in Magdeburg

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