Im Film spielt er einen Künstler, der aufbegehrt. Im richtigen (Ost-)Leben schaffte Hans Uwe Bauer in der DDR den Weg vom Findelkind zum erfolgreichen Schauspieler. Trotzdem empfindet er keine Ostalgie. Mein Beitrag aus SUPERillu 2006.
Hans Uwe Bauer (geboren 1955) spielt im Film den Künstler Paul Hauser, der seinen Schriftsteller- Freund Georg Dreyman (gespielt von Sebastian Koch) überredet, etwas gegen den SED-Staat zu unternehmen.Hauser fürchtet zurecht, dass sie bereits von der Staatssicherheit überwacht werden. Eine Handlung, die nicht sehr weit weg ist von dem,was Hans Uwe Bauer als DDR-Bürger selbst erlebte. In SUPERillu erzählt er erstmals seine bewegte Geschichte. Sie beginnt in Stralsund,wo Bauer 1955 geboren wurde. Seine Mutter floh wenig später in den Westen, ließ ihn zurück.Als Findelkind erlebte er die DDR aus einer ganz besonderen Perspektive.
Bauer: „Ich wuchs ganz ohne Eltern und Familie in verschiedenen DDR-Kinderheimen auf.Bollersdorf, Borgsdorf, Werftpfuhl.An die Namen kann ich mich noch gut erinnern.Es gab dort knallharte militärische Strukturen. Morgens antreten, rechts um, anstellen zum Essenfassen. In der Schule gab es neben dem normalen Unter richt die DDR-übliche »Erziehung zum Sozialismus«. Mit diesen Geschichten vom heldenhaften Ernst Thälmann und der glorreichen Aufbauarbeit der Antifaschisten. Abends, nach den Schularbeiten, zeigten sie oft Schnitzlers »Schwarzen Kanal« und täglich die »Aktuelle Kamera«. Dann Bettruhe. Normale Kinder hatten ja abends ihre Eltern, die ihnen schon erzählten, dass das alles nur hohle Propaganda war und der Sozialismus in Wahrheit gar nicht so gut funktionierte. Ich hatte diese Möglichkeit nicht.Alles zusammen,der Drill,der Mangel an Zuwendung und diese Rotlichtbestrahlung führten bei uns zu einer seelischen Verwahrlosung. Viele landeten später im Knast.“
„Als ich mit 18 das Heim verließ, schenkte man mir zum Abschied noch einen warmen Anorak. Leider einen blauen,mit FDJ-Emblem.Als ich damit zum ersten Mal ins Kino ging,wurden mir dort deswegen von anderen Jugendlichen gleich Schläge angeboten.Die wollten mich verprügeln, weil ich diesen FDJ-Anorak trug.Da merkte ich zum ersten Mal, dass nicht alle Menschen für den Sozialismus waren. Dass viele das System sogar total ablehnten. Die meisten schwiegen nur,weil sie nicht ihre Existenz verlieren wollten.Deshalb versuchten sie nicht anzuecken. Das ist legitim.“
„Eigentlich konnte ich mich nicht beschweren. Obwohl Heimkind und unheimlich schlecht in der Schule, bekam ich eine Lehrstelle als Tischler an der Staatsoper in Berlin. Dazu mit 18 eine Wohnung und schon bald eine Chance, die nötige Schulbildung nachzuholen, um meinen Traumberuf Schauspieler studieren zu können. Ich hätte also rein materiell mit unserer DDR sehr zufrieden sein können. Aber ohne dass ich in der Lage gewesen wäre,genau zu benennen, was mich störte,wusste ich bald, dass ich die SED und ihren Sozialismus ablehnte. Ich lernte auch sehr schnell, zwischen den Zeilen zu lesen, denn nur manchmal trauten sich die Menschen auszusprechen, was sie wirklich dachten.“
„Auch ich habe oft lieber geschwiegen. Du konntest ja nicht wissen, ob es dich nicht sofort deine Existenz kostet, wenn du an den Falschen gekommen wärest.Wir Schauspieler diskutierten abends nach den Vorstellungen oft sehr offen über die Missstände und wie man sie ändern könnte.Da ging es manchmal sehr heiß her. Auch mir platzte schon mal die Hutschnur und alle Vorsicht war vergessen. Aber ich hatte Glück und musste glücklicherweise nie Konsequenzen spüren. An der Filmhochschule in Potsdam aber erlebte ich hautnah einen ganz anderen Fall.Wer dort studieren durfte, der hatte schon etwas zu verlieren.Trotzdem stand mitten im Unterricht ein Student auf und polterte im besten Sächsisch los: »Das ist doch alles Scheiße, was ihr hier macht!« Der Lehrer forderte ihn auf, sofort seine Sachen zu packen, er sei der Schule verwiesen. Drei Stunden später war seine Schauspielkarriere zu Ende.“ Geheime Gedanken. „Ich hätte die Möglichkeit gehabt, ohne Risiko abzuhauen.Denn zweimal,1987 und 1988, durfte ich zu Dreharbeiten ganz offiziell in beziehungsweise durch das nichtsozialistische Ausland reisen. Einmal in die BRD,wo wir die »Besteigung des Chimborazo « drehten, eine deutsch-deutsche Koproduktion. Und einmal nach Vietnam, zur DEFA-Produktion »Dschungelzeit«.Auf dem Rückflug gab es eine Zwischenlandung in Karatschi, Pakistan. Da hätte ich wahrscheinlich ohne großes Risiko abhauen können. Ich dachte sehr lange darüber nach. Doch ich tat es nicht. Berlin war mein Zuhause. Außerdem träumte ich immer noch davon, dass der Sozialismus doch eigentlich eine gute Sache sei, die halt nur schlecht umgesetzt ist. Ich war, wie sicherlich viele DDR-Bürger, lange Zeit der Meinung, bei den vielen offensichtlichen Missständen in der DDR handele es sich nur um »Kinderkrankheiten«. Ja, es gab auch Gutes! Freundschaften wurden mehr gepflegt als heute. Man war ja auch mehr aufeinander angewiesen. Die Mieten waren billig.Aber ich bin trotzdem sehr, sehr froh, dass es vorbei ist.“
Text: Gerald Praschl (SUPERillu)
Mehr über „Das Leben der Anderen“ und das wahre DDR-Leben der Darsteller hier.