100 Jahre Oktoberrevolution: Was bleibt von Lenin?

Von Gerald Praschl, erschienen in SUPERillu 45/2017, S. 22-24.

Das 19 Meter hohe Lenin-Denkmal aus rotem Granit auf dem eins­tigen Leninplatz in Berlin ist längst verschwunden. Lenins Oktoberrevolution ist nun schon 100 Jahre her. Außerdem passierte sie doch damals weit weg, in Russland. Was also geht uns das heute noch an?

Nun: Bis heute ist ein Teil des Lebens in Mittel- und Osteuropa, auch im Osten Deutschlands,   von den Folgen der Oktober­revolution geprägt. Ohne die Machtergreifung der Kommunisten in Russland 1917 hätte es später keine DDR gegeben. Und ohne die DDR und den wirtschaftlichen Schock nach ihrem Ende gäbe es auch nicht das bis heute anhaltende Lohn- und Wohlstandsgefälle zwischen West und Ost.

Alle „postkommunistischen“ Länder Mittel- und Osteuropas haben noch weit gravierender mit den Spätfolgen zu kämpfen. Niedrige Löhne, Altersarmut, schlechte Straßen, bröckelnde Häuser oder Abwanderung – vieles hängt immer noch damit zusammen, dass die einstige Planwirtschaft der Kommunisten nicht das versprochene Paradies auf Er­­den zur Folge hatte, sondern am Ende einen wirtschaftlichen ­Zu­­sammenbruch, der Hunderte Millionen Menschen um die Früchte ihrer Arbeit brachte.

Dabei hatte alles mit so viel Hoffnung begonnen. Die Oktoberrevolution 1917 und die da­­raus resultierende Gründung der Sowjetunion 1922 lösten auch bei vielen Menschen im Westen Be­­geisterungsstürme aus. Könnte das „Sowjetparadies“, in dem es allen gut geht, das Vorbild sein für die Rettung der ganzen Welt?

Beinahe wäre, ein Jahr nach der Oktoberrevolution, auch Deutschland kommunistisch geworden. Denn nach dem Sturz des deutschen Kaisers 1918 hatten nicht nur die gemäßigten Sozialdemokraten eine Republik ausgerufen (die spätere „Weima­rer“ Republik) – sondern auch der Linksaußen und spätere KPD-Gründer Karl Liebknecht, der wie Lenin in Russland eine „sozialistische Räte­republik“ er­­richten wollte.

Genau wie Liebknechts deutsche Kommunisten waren auch Lenins „Bolschewiken“ nach dem Sturz des Zaren 1917 nur eine kleine, radikale Minderheit unter den vielen Revolutionären. Nicht nur viele Zufälle und die Fehler ihrer Gegner, sondern vor allem ihr skrupelloses Vorgehen brachten sie in Russland am Ende trotzdem an die Macht. Mit derselben blutigen Härte machten sie weiter. Im Bürgerkrieg fielen der „Roten Armee“ und dem „Roten Terror“ zwei Mil­lionen Menschen zum Opfer. Adlige und Priester waren die Ersten, die als „Klasse“ ge­­jagt, umgebracht oder interniert wurden. Um die Kollektivierung der Landwirtschaft durchzusetzen, ließ die Führung der KPdSU unter Josef Stalin Millionen Kleinbauern, die sich sträubten, aushungern. Dieser Hungersnot fielen 1932/33 bis zu zehn Millionen Menschen zum Opfer. Geschätzt 700 000 Menschen wurden in den Jahren von Stalins „Großem Terror“ erschossen. 18 Millionen Menschen landeten als Arbeits­sklaven in „Gulags“, drei Mil­lionen kamen dort um. Der Zweite Weltkrieg, der 1939 damit begann, dass Hitler und Stalin sich verbündeten und in Polen  einmarschierten, bevor Hitler 1941 die Sowjetunion überfiel, verwüstete das Land und forderte rund 27 Millionen Tote. Er brachte aber auch noch mehr Länder unter kommunistische Herrschaft, auch den Osten Deutschlands.

Die Sowjets haben allerdings ebenso Großartiges geleistet. Sie haben die Landwirtschaft industria­lisiert und Millionen Wohnungen gebaut. Sie haben aus Kindern von Analphabeten Ingenieure gemacht. Und sie haben Hitler besiegt. Was alles ge­­schehen wäre, wenn Osteu­ropa nicht 70 Jahre lang von Kommunisten regiert worden wäre, weiß man nicht.

Was also bleibt von Lenin und vom Kommunismus? Darauf hat­te der einstige kommunis­ti­sche Staatschef Polens, Wojciech Jaruzelski (1923–2014) eine kluge Antwort, als SUPERillu ihn 2010 in Warschau zum Interview traf. Jaruzelski sagte damals zu uns: „Es gab auch Dinge, bei denen der Kom­munismus eine positive Rolle spielte. Die Revolution in Russland trug dazu bei, dass die Kapitalisten im Westen begannen, sich Gedanken über den Lebensstandard der einfachen Leute zu machen – weil sie Angst vor einer Revolution hatten. So hat der Kommunismus wenigs­tens indirekt den Arbeitern ge­­holfen – denen im Westen.“


Ein Gedanke zu „100 Jahre Oktoberrevolution: Was bleibt von Lenin?“

  1. Das Foto und der Text bringen es treffend auf den Punkt!
    Ergänzung:
    Erst durch den russischen Filmemacher Eisenstein wurde die „Oktoberrevolution“ vom November 1917 wegen der nachgestellten Szenen zum Mythos. Es erhob sich nicht das Volk gegen den Zaren, sondern das waren einige Putschisten. Letztlich war Lenin schlicht ein Massenmörder. Er gehört in die Kategorie Stalin, Mao, Castro, Pol Pot und Kim aus Nordkorea. Das waren und sind Menschenschinder.

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