Sotschi: “Feiern statt meckern”

 Was wurde im Vorfeld nicht alles über Sotschi geschrieben. Von kaputten Duschen,Vierer- Toiletten und unfertigen Hotels war die Rede. Doch nach der glanzvollen und herrlich unaufgeregten Eröffnungsfeier sind Sportler wie Beobachter voll des Lobes. Ein feierfreudiges Publikum, moderne Sportstätten und der Kontrast zwischen den Palmen in Sotschi und dem Schnee in den Bergen gilt inzwischen als der große Reiz der Spiele im Kaukasus. Das Gemecker einiger Journalisten und Besucher mutete daher an wie das Genörgel von Pauschaltouristen.

Nicht nur Alt-Kanzler Gerhard Schröder regte das auf. Solche Berichte seien „reichlich unfair“, meinte er. Sicher ist Schröder, aufgrund seiner Aufsichtsratstätigkeit für das deutsch-russische Konsortium Nordstream, vielleicht etwas parteiisch. Aber auch der deutsche „Spiegel“-Korrespondent Benjamin Bidder kritisierte die „einfältige Häme“ in zahlreichen westlichen Berichten. Bidder schreibt: „Die Russen verstehen die Welt nicht mehr, und das liegt nicht an den Russen. Sie feiern in Sotschi eine Party. Wir sind die Gäste, die sich den ganzen Abend an einer Bionade festhalten und sich über das Klo des Gastgebers das Maul zerreißen.“ Während viele Journalisten meckerten, fühlen sich die Sportler in Sotschi offenbar sehr wohl. Sie schwärmen von dem subtropischen Klima – derzeit sind es elf Grad plus in Sotschi – und dem perfekten Schnee im 50 Kilometer entfernten Krasnaja Poljana.

Selbst der Berliner Deutsch-Russe Wladimir Kaminer, sonst nicht als Kreml-Freund bekannt, nahm „Putins Olympia“ in Schutz: „Ich denke, die Gastgeber haben alles getan, um der Welt ihre Gastfreundschaft zu präsentieren“, sagte er. Es bringe auch nichts, so Kaminer, jetzt über das viele Geld zu jammern, das die Spiele kosten und darüber, dass von den 40 Milliarden Euro wohl einiges in Korruption versickerte. Jetzt solle man feiern und Spaß haben.

Das sieht auch eine breite Mehrheit der Russen so. Zwar sind laut Umfrage des Moskauer Meinungsforschungsinstituts Levada 38 Prozent aller Russen der Meinung, ihre Obrigkeit habe die Spiele nur veranstaltet, um sich große Summen aus der Staatskasse anzueignen.Aber: Trotzdem sind 53 Prozent der Meinung, es sei „definitiv“ oder „eher“ richtig gewesen, die Spiele nach Sotschi zu holen. http://www.levada.ru/05-02-2014/zimnie-olimpiiskie-igry-v-sochi-interes-nadezhdy-i-otsenka ). Und 65 Prozent freuen sich auf russische Siege.

Gerald Praschl, erschienen in SUPERillu 8/2014