Von der Blumen-Oma bis zum Mega-Markt: Einkaufen in Kiew

Am Nudelregal bei "Aschan" in Kiew
Am Nudelregal bei „Aschan“ in Kiew

Der postsowjetische „Kiosk“-Kapitalismus der wilden 90er Jahre ist in Kiew noch recht lebendig. Rund um die Metrostationen gibt es unzählige kleine Kioske mit Waren aller Art. Und daneben auch noch viele kleine Straßenhändler, die ihre Ware einfach so auf dem Asphalt feilbieten.  Oft sind die Verkäuferinnen ältere Frauen, die versuchen, sich neben ihrer kargen Rente, meist nur 20 oder 30 Euro im Monat, etwas dazuzuverdienen, um über die Runden zu kommen. Sie verkaufen Blumen und Obst, oft aus dem eigenen Garten, irgendwo draußen in den Dörfern, von wo aus sie frühmorgens in die Stadt aufbrechen.  Dort draußen in der Welt der ukrainischen Dörfer gibt es anders als in den großen Städten, von denen die vermeintlich „ländliche“ Ukraine sehr viele hat (darunter fünf Millionenstädte) nur wenige, kleine Läden, viele Dörfler leben subsistent. Fast alles, was sie brauchen, stellen sie selbst her oder tauschen beim Nachbarn. So gibt es dann im Dorfladen meist wenig mehr als Bier und Schnaps, Waschmittel, Streichhölzer, Zahnpasta und Zigaretten.

Die bekannten Supermarktketten Westeuropas sucht man bis jetzt in den Städten der Ukraine vergeblich, Lidl oder Aldi haben bis jetzt keinen Fuß auf ukrainischen Boden gesetzt, nur die Metro AG ist da.  Die deutsche Drogeriekette Rossmann ist immerhin schon mit ihren Hausmarken in den ukrainischen „Watsons“-Märkten präsent, mit der offenbar enge Geschäftsbeziehungen bestehen. Nur vereinzelt sieht man in den städtischen Läden deutsche Marken – Elektrotechnik von Siemens oder ABB-Busch-Jaeger oder „Ritter-Sport“-Schokolade. Deutsches Bier, zum Beispiel von „Maisel´s“, ist im Handel, jedoch um einiges teurer als die vielen, genau so guten ukrainischen Biere – deren bekannteste unter den Markennamen „Zibert“,  Chernihiwske“ und „Lwiwske“ verkauft werden. Dabei stehen deutsche Waren in der Ukraine eigentlich hoch im Kurs. Sie gelten anders als Waren aus Russland und der Ukraine als besonders hochwertig. So schufen vor allem chinesische Importeure Ersatz  und werben mit Marken, die vorgeben, „deutsch“ zu sein.

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Babyn Yar – Ort des Todes inmitten der Großstadt

Offiziell ist die ganze Gegend rund um die Schlucht von Babyn Yar, mitten in Kiew gelegen und umgeben von vielbefahrenen Schnellstraßen ein öffentlicher Park. Aber je näher man der Schlucht kommt, umso menschenleerer wird es.  Hier will keiner spazieren gehen. Die Wege sind verwildert. Am Rand der Schlucht mahnen ein einer jüdischen Menora nachempfundenes Denkmal und vereinzelte Kreuze zur Erinnerung an das, was hier geschah.
Von 1941 bis 1943 ermordeten die deutschen Besatzungstruppen hier über 100 000 Ukrainer, überwiegend die jüdische Bevölkerung von Kiew und Umgebung, daneben u.a. ukrainische Widerständler und gefangene Rotarmisten. Die Massaker von Babyn Yar sind nur einige der unzähligen Verbrechen, die Deutsche auf ukrainischem Boden begingen, aber der Name wurde auch deshalb Synonym, weil sie, anders als die meisten anderen Taten, zumindest gut dokumentiert sind. Der Leiter der Einsatzgruppen, Paul Blobel, ließ kurz vor der sowjetischen Rückeroberung der Stadt 1943 noch zehntausende Tote in der Schlucht exhumieren und verbrennen, um Spuren zu verwischen. 1951 wurde er in Landsberg am Lech hingerichtet. Doch die meisten Täter blieben unbehelligt.

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Zeitreise in die ukrainischen Dörfer des 16. Jahrhunderts

Auf zahllosen Dörfern der ländlichen Ukraine finden sich bis heute viele Zeugnisse der Vergangenheit, weit mehr als „im Westen“ – alte Bauernhäuser vergangener Jahrhunderte,  Kirchen und Mühlen – auch wenn die meisten Dörfler inzwischen in modernere Gebäude nebenan umgezogen sind.  Doch die Fotos hier entstanden mitten in der Millionenstadt Kiew. Das dortige „Museum für Volksarchitektur und Brauchtum der Ukraine“ , im Süden der Hauptstadt gelegen, wirbt für sich selbst als „größtes Freilichtmuseum Europas“. Und wenn man einmal versucht hat, die 131 Hektar große Park- und Waldlandschaft, nur wenige Kilometer vom quirligen Maidan und der belebten Prachtstraße Kreschtschatik entfernt,  an nur einem Tag zu erkunden, dann glaubt man das. Ein Spaziergang, der eine einmalige Zeitreise ist.
Über 300 alte Bauernhäuser wurden aus allen Teilen der Ukraine herangeschafft, wiederaufgestellt und restauriert, verteilt auf mehrere historische „Dörfer“, die einzelne Landschaften des riesigen Landes, das doppelt so groß ist wie Deutschland, repräsentieren:  Podolien, Polesien, Wolhynien, die Karpatenregion, das Land zu beiden Seiten des Dnepr.

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Berdytschiw, Ukraine. Die Juden, Balzac, ein Kloster. Und das Bier.

Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu der ukrainischen Stadt Berdytschiw (Бердичівumfasst nur rund 6000 Zeichen. Ein Drittel davon, der Haupttext, beschäftigt sich mit der Ermordung der gesamten jüdischen Bevölkerung der Stadt durch die deutschen Besatzungstruppen 1941/42. Mehr als 30 000 jüdische Einwohner der Stadt wurden damals von den Deutschen umgebracht. Als die Sowjets im Januar 1944 die Stadt befreiten, trafen sich von der einstigen jüdischen Mehrheitsbevölkerung von Berdytschiw noch 15 Juden lebend an.

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„Ukraina incognita“ – die geheimen Kulturschätze ukrainischer Dörfer

Die meisten, die an diesem Sonntag morgen um sieben in dem Kleinbus an der Metro Schitomirskaja in Kiew sitzen, sind keine Touristen, sondern Einheimische aus Kiew. Ein Geschäftsmann, der mir erzählt, er wäre lieber Historiker geworden, aber damit könne man ja kein Geld verdienen, einige reifere Damen auf gemeinsamem Sonntagsausflug, eine junge Hobby-Fotografin. Sie sind selbst Ukrainer. Und die Ziele unserer Tour, einige Dörfer im Gebiet zwischen Kiew und Shitomir, liegen kaum mehr als 100 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Hauptstadt entfernt. Doch auch für sie ist es eine Tour ins Unbekannte, nach „Ukraina incognita“, wie der Kiewer Historiker Roman Malenkow, der selbst am Steuer sitzt, seine kleine Reisefirma nannte, die diese Fahrten anbietet. http://incognita.com.ua/uk

Die Barockkirche von Iwankiw im Schitomirer Gebiet (Ukraine)
Die Barockkirche von Iwankiw im Schitomirer Gebiet (Ukraine)

Wer in der Ukraine in der Stadt wohnt, noch dazu in der Metropole Kiew,  für den ist die Welt der ukrainischen Dörfer in der Regel wie Ausland, außer er hat dort Verwandte.  Schon wegen der schlechten Straßen dort draußen biegt keiner freiwillig von den wenigen großen Magistralen ab, die die Bezirksstädte des Landes miteinander verbinden. Anders als in Deutschland unterscheiden sich die Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land enorm.

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EASTBlog – Deutschland- und Osteuropa-Blog des Journalisten Gerald Praschl