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Journalist in Berlin, Mitglied der Chefredaktion/Politik von SUPERillu, http://geraldpraschl.de/?page_id=2

Lesenswert: Andrzej Stach über Gaucks Olympia-Absage

Andrzej Stach

Russland, Ukraine und die verkannte Macht des Bundespräsidenten

 

Die Entscheidung des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, nicht zu den Winterspielen nach Sotschi hinzufahren, gehört wie ich glaube zu den bislang gewichtigsten politischen Entscheidungen seiner Amtszeit. Als Grund vermuten sowohl Befürworter als auch Kritiker der Entscheidung unisono den autokratisch regierenden Präsidenten Putin dahinter. Dabei bleibt der Bundespräsident nur seinem Kurs treu, für Menschenrechte und Freiheit einzutreten. 

 

Für Gaucks Kritiker spielen die menschenunwürdigen Umstände bei der baulichen Vorbereitung der Winterspiele in Sotschi keine Rolle. Abgefunden haben sie sich auch mit den unzähligen politischen Gefangenen in Russland. Seine politischen Expansionsgelüste als Mittel zur Wiedererrichtung eines neuen Imperiums deuten sie als legitime Wahrung russischer Interessen. Im Vordergrund stehen für sie die wirtschaftlichen Fragen. Dabei ist es ihnen egal, wie Russland selbst die wirtschaftlichen Interessen und die politische Souveränität der Ukraine und anderer Länder bedroht. Deshalb müssten jetzt alle EU-Mitglieder mit einer Stimme sprechen, und zwar sowohl über und mit Russland als auch mit der Ukraine.      

 

Die Ereignisse in Kiew gehören in denselben Kontext. Sie zeigen dabei, wie wenig wir hier in West- und Mitteleuropa von dem nächsten Nachbarn in Europas Osten wissen oder wissen wollen. Bezeichnenderweise schwenken die Demonstranten bei Protesten in Kiev z.B. massenhaft die EU-Fahnen neben ihren Nationalfahnen und Nationalsymbolen. Aber es fehlt etwas bei den Massenprotesten, was man eigentlich hätte zahlreich erwarten können. Ja, und zwar die Fotos der von der EU-Politik einseitig zum ukrainischen Symbol erhobenen Julia Timoschenko, die von den Demonstranten vergessen zu sein scheint.

 

Mit dem Fehlen des schönen Konterfeis nehmen die Demonstranten der EU-Politik ihr schönes Feigenblatt weg und stellen die Scheinheiligkeit ihrer bisherigen Politik bloß. Denn es geht den Menschen auf dem Maidan nicht um die prominente Gefangene. Sie fordern vor allem die Freilassung aller inhaftierten Demonstranten, Bestrafung der Schuldigen für die brutalen Polizeiübergriffe und den Rücktritt der Regierung von Janukowicz. Und obendrein zeigen sie ihren Willen, nach den Werten und Prinzipien der EU zu leben, und zwar ohne politische und wirtschaftliche Bevormundung seitens anderer Länder.

 

In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des Bundespräsidenten ein zusätzliches wichtiges Zeichen. Joachim Gauck beweist damit, dass man das ohne wirkliche politische Macht ausgestattete Amt des Bundespräsidenten zur Verteidigung und Unterstützung der Freiheits- und Bürgerrechte verwenden kann, und zwar auch in der unmittelbaren Nachbarschaft in Europa. Ihn jetzt als „anti-russisch“ abstempeln zu wollen ist absurd. Es würde auch niemand Bundeskanzlerin Merkel „anti-ukrainisch“ nennen, weil sie den pro-europäischen Demonstranten-Anführer in Kiew, Vladimir Klitschko, unterstützt und nicht den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch

Kommentar: Welcher „russische Rechtsstaat“, Herr Mißfelder?

Angesichts der systematischen Zersetzungsmaßnahmen, mit denen der russische Staat Oppositionelle, Journalisten, Aufarbeiter und sonstige Akteure der Zivilgesellschaft überzieht, kann ich den „russischen Rechtsstaat“, den CDU-Politiker Philipp Mißfelder durch die Ankündigung einer „Amnestierung“ von Pussy Riot und Chodorkowski gestärkt sehen will, nicht erkennen.http://www.presseportal.de/pm/7846/2625084/missfelder-russisches-amnestie-gesetz-staerkt-vertrauen-in-den-rechtsstaat Lieber Herr Mißfelder: Es gibt keinen Rechtsstaat in Russland, sondern nur einen gerade offenbar gütig gestimmten Herrscher. Putin ist auch nicht der erste Potentat, der im Vorfeld Olympischer Spiele mit der Freilassung politischer Häftlinge gut Wetter machen will. Sie sollten, lieber Herr Mißfelder, nicht in dieselbe Falle tappen wie Gerhard Schröder. Es ist gut, hierzulande um Verständnis und Interesse für Russland zu werben, da haben Sie recht. Es bringt aber nichts, sich die Verhältnisse dort dabei schön zu reden. Russland ist derzeit eine Diktatur, mit Wahlfälschung, Medienzensur, Verfolgung politisch Andersdenkender, Ein-Parteien-Herrschaft, Geheimpolizei. Kein Rechtsstaat. Keine „lupenreine“ Demokratie.

Tauziehen in der Ukraine

Von Gerald Praschl

Dramatische Stunden in der Ukraine. Statt die von der EU als Bedingung für die Ende November geplante EU-Assoziierung geforderten Gesetzesänderungen zu unterschreiben, brach das Parlament seine heutige Sondersitzung ab, schickte die EU-Unterhändler Aleksander Kwasniewski und Pat Cox unverrichteter Dinge nach Hause. Und nach einem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch mit hochrangigen ukrainischen Wirtschaftsvertretern verkündet Premier Nikolai Asarow: „Die Aufgabe Nummer eins unserer Politik ist es, unsere Beziehungen zu Russland zu normalisieren“

http://24tv.ua/home/showSingleNews.do?smena_prioritetov_zadacha_1_dlya_vlasti__otnosheniya_s_rossiey&objectId=383338&lang=ru

Переметнется ли Киев?

Автор: Геральд Прашль (Gerald Praschl); Перевод: Татьяна Рещинска (Tatyana Reshchynska)

Напряженная ситуация в Киеве. Вместо того, чтобы внести поправки к законам, которых требует ЕС от Украины для подписания ассоциации в конце ноября, внеочередное заседание Верховной Рады в среду было закрыто, так и не проголосовав ни за один закон. Представителей миссии Европарламента Александрa Квасневского и Пета Кокса «отправили» без результата в Брюссель.

После встречи президента Украины Виктора Януковича с промышленниками, премьер-министр Украины Николай Азаров заявил: «Первоочередная задача украинской политики — нормализация отношений с Россией.»

В моем интервью с Азаровым в сентябре этого года он занимал несколько иную позицию: «Мы не противопоставляем наши отношения с Россией и ЕС, и в будущем не будем этого делать.» Все взвесив, решение о зоне свободной торговли было принято в пользу ЕС, а не России. http://east-blog.de/?p=12Nach

При теперешних обстоятельствах стоит подписание ассоциации под вопросом. С каждым днем становится все вероятнее, что делегация ЕС, среди них Ангела Меркель, запланированную в конце ноября на саммите «Восточного партнёрства» в Вильнюсе ассоциацию с Украиной не подпишет. Вероятнее всего, что Украина, как в сентябре и Армения, находясь под давлением со стороны России, войдет в таможенный союз, что и опредилит ее внешнеполитический курс на долгое время. Непонятно, что привело к перемене убеждений, и где было принято решение — в парламенте или при встрече президента с промышленниками.

Примечательно: Несколько иначе комментирует это сообщение украинский канал новостей «24». В то время как Азаров на пресс-конференции говорит о том, что «первоочередная задача украинской политики — нормализация отношений с Россией», комментирует канал «24» это как: «Задание №1 для власти — улучшить отношения с Россией.» Едва заметная, но значительная разница. Прислушиваться не помешает, дорогие коллеги.

http://24tv.ua/home/showSingleNews.do?smena_prioritetov_zadacha_1_dlya_vlasti__otnosheniya_s_rossiey&objectId=383338&lang=ru

EU-Vertrag: Fällt Kiew doch noch um?

Von Gerald Praschl

Dramatische Stunden in der Ukraine. Statt die von der EU als Bedingung für die Ende November geplante EU-Assoziierung geforderten Gesetzesänderungen zu unterschreiben, brach das Parlament seine heutige Sondersitzung ab, schickte die EU-Unterhändler Aleksander Kwasniewski und Pat Cox unverrichteter Dinge nach Hause. Und nach einem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch mit hochrangigen ukrainischen Wirtschaftsvertretern verkündet Premier Nikolai Asarow: „Die Aufgabe Nummer eins unserer Politik ist es, unsere Beziehungen zu Russland zu normalisieren“.

Das hörte sich in dem Interview, das ich mit ihm im September 2013 in Kiew führte, noch ganz anders an. Da meinte Asarow: „Wir sehen unsere Beziehungen zu Russland und der EU nicht als Gegensatz und werden das auch in der Zukunft nicht tun.“ http://east-blog.de/?p=12  Nach sorgfältiger Abwägung habe man sich für ein Freihandelsabkommen mit der EU und nicht mit Russland entschieden. Das steht nun auf der Kippe und mit jedem Tag wird es unwahrscheinlicher, dass die EU-Delegation, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Assoziierungsvertrag mit der Ukraine wie geplant doch noch Ende November beim Gipfel der „Östlichen Partnerschaft“ in Wilnius (Litauen) unterschreiben können. Viel wahrscheinlicher wird, dass die Ukraine wie bereits im September Armenien, offenbar auf massiven russischen Druck hin, statt ein EU-Freihandelsabkommen zu unterschreiben, der von Russland geführten Eurasischen Zollunion beitritt – was für die Ukraine eine langfristige außenpolitische Weichenstellung bedeuten würde. Unklar ist, was den plötzlichen Sinneswandel herbeiführte – und wo die Entscheidung fiel. Ob im Parlament – oder bei dem Treffen Janukowitschs mit den Wirtschaftsvertretern.

Bemerkenswert: Etwas merkwürdig hochgedreht wirkt allerdings dieser Bericht des ukrainischen Nachrichtensenders „24“. Während Asarow in der Pressekonferenz lediglich davon spricht, seine Priorität Nummer eins sei es, die Beziehungen zu Russland zu „normalisieren“, meldet „24“ hier, „die Priorität der Regierung – die Beziehungen zu Russland“. Kleiner aber feiner Unterschied, liebe Kollegen! Genau hinhören schadet nicht, Asarow ist ein Mann der Zwischentöne…

http://24tv.ua/home/showSingleNews.do?smena_prioritetov_zadacha_1_dlya_vlasti__otnosheniya_s_rossiey&objectId=383338&lang=ru