Wäre Erich Mielke zu DDR-Zeiten gestorben, wären ihm Staatstrauer,ein Meer von Fahnen und ein pompöses Ehrengrab sicher gewesen. Seitenlang hätte ihn das „Neue Deutschland“ gewürdigt und den Verlust betrauert. Vorbei! In Freiheit und im Bett starb im biblischen Alter von 92 Jahren der gefürchtete Chef der DDR-„Staatssicherheit“, Erich Mielke
Text: Gerald Praschl. Fotos: Nikola Kuzmanic, erschienen in SUPERillu, 2000
Exklusiv auf geraldpraschl.de: Die Trauerrede für Erich Mielke
Genau 36 Zeilen Text auf den hinteren Seiten widmete das einstige SED-Zentralorgan seiner Beisetzung am 10. Juni 2000 auf dem Berliner Friedhof Alt-Friedrichsfelde. Beerdigungsunternehmer Hubert Hunold (60), selbst Ex-MfS-Offizier und schon früher bei der Stasi dienstlich für Begräbnisse zuständig, hatte einiges versucht, um die Bestattung geheim zu halten. Ein falscher Termin sollte Journalisten in die Irre führen. Kein Aushang wies auf den wirklichen Zeitpunkt hin. Und aus Furcht vor Grabschändung kam Mielkes Urne ins anonyme Urnen-Grab.
Die Gäste, fast alles hohe Stasi-Leute (Spionagechef Markus Wolf fehlte genauso wie sein Stellvertreter/Nachfolger Werner Großmann, die Herren, so der Small Tal am Rande der Beerdigung, seien wohl etwas Besseres), wurden kurzfristig per Telefon informiert und zu einem Treff an den Berliner Friedhof Friedrichsfelde bestellt.Kein Wunder, dass Stasi-General Wolfgang Schwanitz (69), letzter Chef des DDR-„Ministeriums für Staatssicherheit“ (MfS), sehr überrascht war, als er auf dem Friedhof ein Team von SUPER ILLU traf. Die Reporter erlebten dann, wie die Vergangenheit für eine Stunde wieder lebendig wurde. Eine rote Fahne schmückte den Urnentisch. Einer der ehemaligen Stellvertreter des Ministers für „Staatssicherheit“, Gerhard Neiber, salutierte am Grab. Trauerredner Willi Opitz (71), Ex-Chef der MfS-Hochschule, pries Mielkes Disziplin, seinen Kampf für „soziale Gerechtigkeit“, seine „Liebe zur Sowjetunion“.
Trotz der markigen Sprüche wurde es ein leiser Abschied. Nur einer reckte am Grab trotzig die Faust, rief „Erich, Rot Front!“ Die anderen folgten still und bezeugten Mielke Witwe Gertrud (90), Sohn Frank (51), Schwiegertochter Marion (50) und Enkel Erik (21) ihr Beileid. Mielkes Enkelin Arlett Mielke (25) tarnte sich mit einer schwarzen Perücke,klammerte sich unsicher an ihren Freund. Auch Tränen flossen um den Herrn der Angst, den so viele hassten und fürchteten. Pflegetochter Inge Knappe, die als Kriegs-Waisenkind aus Oberschlesien bei den Mielkes aufwuchs und zu DDR-Zeiten beim Stasi-Sportverein Dynamo arbeitete, weinte bitterlich. Frank Mielke tröstete sie.
Zwischen den Kränzen für den Stasi-Chef vom „Zentralkomitee der KPD“, „von den Freunden und Veteranen des KfS“ (des sowjetischen KGB), lag auch einer für den Menschen Erich Mielke. Darauf stand: „Meinem lieben Mann, unserem guten Vater und Opa einen letzten Gruß.“