Autor: Gerald Praschl
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So eine Dienstreise ist auch für den Bürgermeister einer 250 000-Einwohner-Stadt nicht alltäglich. Aus den Händen von Jean-Claude Mignon, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, bekam der Bürgermeister der ukrainischen Stadt Ternopil, Sergij Nadal, 38, Anfang Juli ein “Europa-Diplom” verliehen. Diese Auszeichnung wird jährlich an Kommunen verliehen, die sich besonders aktiv für die “Verbreitung der europäischen Idee” einsetzen. Ternopil ist, neben Städten in Frankreich, Italien, Deutschland und anderen EU-Ländern, in diesem Jahr einer von 26 Preisträgern. Nadal dankte der parlamentarischen Versammlung des Europarats für die Auszeichnung, die er als Würdigung der “traditionellen europäischen Werte” sehe, die seine Stadt vertrete – spätestens seit er 2010 das Amt des Bürgermeisters antrat. Zum Dank, so versprach er, werde er künftig vor dem Rathaus zu allen Feiertagen die Flagge des Europarates hissen lassen.
Was genau sich Nadal unter solchen “traditionellen europäischen Werten” vorstellt, ist allerdings alles andere als EU-preisverdächtig. Nadal gehört der ukrainischen Partei Swoboda an, deren Politiker in der Ukraine regelmäßig mit rechtsradikaler Optik und Rhetorik auf Stimmenfang gehen. Daran habe auch der Einzug der Partei in das ukrainische Parlament, die Verchowna Rada, im Jahr 2012 nichts geändert, konstatiert der deutsche Ukraine-Experte Andreas Umland. Die Partei setze ihre ethnozentrische und homophobe Skandalmacherei fort. http://ukraine-nachrichten.de/eine-typische-spielart-europ%C3%A4ischem-rechtsradikalismus-drei-besonderheiten-ukrainischen-freiheitspartei-vergleichender-perspektive_3785_meinungen-analysen
Auch der kahlgeschorene Bürgermeister von Ternopil macht da keine Ausnahme. “Nur die Rechten, nur der Nationalismus, nur die Rückkehr zu den eigenen Traditionen gibt den Ländern Europas – die jetzt unter der illegalen Migration und Kriminalität leiden – die Möglichkeit, ihre Selbst-Identität zu bewahren”, sagte er 2010 anlässlich der Vorstellung eines Buches aus seiner Feder mit dem Titel “Gerechtigkeit. Verantwortung. Ordnung”. http://m.20minut.ua/Novyny-Ternopolya/Polityka/10182396
Nach dem Einzug von Swoboda in das ukrainische Parlament forderten zahlreiche Intellektuelle, überwiegend Gesellschaftswissenschaftler und Journalisten, von den Parteien der Ukraine, insbesondere den im “Komitee gegen Diktatur” vereinten “orangen” Kräften, eine konsequente politische Ausgrenzung von Swoboda, ähnlich in nahezu allen EU-Staaten gegenüber rechtsradikalen Parteien die Praxis ist. In dem Aufruf heißt es: “Swoboda behauptet, eine pro-europäische Partei zu sein. Aber ihre ethnozentrierte und homophobe Weltanschauung ist in vieler Weise das genaue Gegenteil der Prinzipien, auf denen die Integration des Nachkriegs-Europas aufgebaut wurde. Swoboda behauptet, eine typisch europäische Partei zu sein. Aber sie gehört zu der ultranationalistischen Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen, der einige der rechtsextremsten Parteien der EU angehören …”http://www.change.org/petitions/committee-against-dictatorship-re-consider-the-inclusive-of-svoboda-into-the-cad
Die Bande von Swoboda zur “Front National” in Frankreich oder der rechtsradikalen ungarischen Partei Jobbik, Teil dieser “Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen”, sind eng – auch zur deutschen NPD: Nur wenige Wochen vor der Preisverleihung war eine Gruppe von Swoboda-Abgeordnete aus dem Stadtrat von Ternopil und dem ukrainischen Parlament zu Gast in Sachsen, bei der NPD-Landtagsfraktion, wo sie von NPD-Frontmann Holger Apfel herzlich empfangen wurde. Apfel sagte bei dem Treffen, er halte Swoboda für eine der “bedeutendsten europäischen Rechtsparteien”. Nadal gab der Mai-Ausgabe der NPD-Zeitung “Deutsche Stimme” ein Interviewhttps://www.dropbox.com/s/yb5zgxbwjnrrl8h/Foto%2004.08.13%2014%2002%2038.jpg
Dort erklärte er seinen braunen Freunden aus Deutschland, er stünde “natürlich” jenen politischen Kräften nahe, die “die eigenen Interessen ihrer Nationen verteidigen. Das sind die rechten Parteien (…). Wir stehen für die Unterstützung der nationalen Produktion, für den staatlichen Schutz der nationalen Grundrechte der Nation. Ein Europa starker nationaler und eigenständiger Kulturen und Volkswirtschaften kann den Herausforderungen der Moderne widerstehen.”
Das könnte und sollte man als das genaue Gegenteil jener “europäischen Idee” lesen, für die die Parlamentarische Versammlung des Europarats das “Europa-Diplom” vergibt. Dort sieht man den Europapreis für den Rechtsradikalen allerdings locker. Bei der Auswahl von Ternopil habe eine Rolle gespielt, dass die Stadt viele Kooperationen mit anderen Kommunen in Europa unterhalte, wie Elblag, Tarnow und Radom in Polen, Shumen in Bulgarien oder Syrmia in Serbien und jährlich einen europäische Sing-Wettbewerb für Kinder und Jugendliche veranstalte. Allerdings habe man sich, so räumt Europarat-Sprecher Panos Kakaviatos auf Anfrage ein, bei der Entscheidung ausschließlich auf die Unterlagen gestützt, die Nadal habe einreichen lassen. Der politischen Situation vor Ort sei sich die Jury nicht bewusst gewesen.
Dann allerdings sollte sie dort auch besser keine Preise verleihen.