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Journalist in Berlin, Mitglied der Chefredaktion/Politik von SUPERillu, http://geraldpraschl.de/?page_id=2

Der Mann, der Milosevic stürzte: Das Leben des Zoran Djindjic

Zoran Djindjic„Serbien war die Bastion, die die europäische Kultur, Religion und die europäische Gesellschaft insgesamt verteidigt hat. Deshalb ist es ungerecht und sogar unhistorisch und absurd, heute über Serbiens Zugehörigkeit zu Europa zu diskutieren. Serbien war immer ein Teil von Europa und genau wie früher auf seinem eigenen Weg, aber auf einem Weg, der seinem historischen Gefühl, seiner Würde entsprach. In diesem Sinne bauen wir eine Gesellschaft auf, die reich und demokratisch ist, die ihren Beitrag leistet zum Gemeinwohl dieses wunderbaren Gebietes, eines ungerecht leidenden Landes, das aber mit seinen progressiven Menschen dazu beitragen wird, eine bessere und glücklichere Welt zu schaffen.“

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Diese Worte könnten auch von Zoran Djindjic stammen. Gerne bediente er sich – vor allem bei Reden, die er in seiner serbischen Muttersprache hielt, dem „serbischen“ Thema, um in die Herzen seiner durch die „nationale Katastrophe Serbiens“, vier faktisch verlorene Kriege zwischen 1991 bis 1999 und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch,  oft bedrückten und etwas orientierungslosen Landsleute zu dringen. Das Zitat stammt aber vom lebenslangen Erzfeind Djindjics: dem serbischen Kommunistenführer Slobodan Milosevic. Es ist Teil der Rede, die Milosevic am 28. Juni 1989 vor 2 Millionen angereisten Serben auf dem Amselfeld bei Pristina hielt. Das martialische Medienereignis, bei dem Milosevic damals in dunklen Andeutungen das „Schicksal der Serben“ beschwor, machte allen nichtserbischen Einwohnern des damaligen Jugoslawiens berechtigterweise Angst und ließ in ihnen eine dunkle, leider zutreffende Vorahnung von großem Unheil aufsteigen. Wie blanker Hohn klingt mit dem Wissen von heute der Appell, mit dem Milosevic seine Ansprache am 28. Juni 1989 schloss: „Lang lebe der Frieden und die Brüderschaft zwischen den Völkern!“

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Erich Mielke: Wer weinte um den Herrn der Angst?

Stasi-General Gerhard Neiber, einer von Mielkes Stellvertretern, verneigt sich vor seinem Grab
Stasi-General Gerhard Neiber, einer von Mielkes Stellvertretern, verneigt sich vor seinem Grab

Wäre Erich Mielke zu DDR-Zeiten gestorben, wären ihm Staatstrauer,ein Meer von Fahnen und ein pompöses Ehrengrab sicher gewesen. Seitenlang hätte ihn das „Neue Deutschland“ gewürdigt und den Verlust betrauert. Vorbei!  In Freiheit und im Bett starb im biblischen Alter von 92 Jahren der gefürchtete Chef der DDR-„Staatssicherheit“, Erich Mielke

Text: Gerald Praschl. Fotos: Nikola Kuzmanic, erschienen in SUPERillu, 2000

 

Exklusiv auf geraldpraschl.de: Die Trauerrede für Erich Mielke

Genau 36 Zeilen Text auf den hinteren Seiten widmete das einstige SED-Zentralorgan seiner Beisetzung am 10. Juni 2000 auf dem Berliner Friedhof Alt-Friedrichsfelde. Beerdigungsunternehmer Hubert Hunold (60), selbst Ex-MfS-Offizier und schon früher bei der Stasi dienstlich für Begräbnisse zuständig, hatte einiges versucht, um die Bestattung geheim zu halten. Ein falscher Termin sollte Journalisten in die Irre führen. Kein Aushang wies auf den wirklichen Zeitpunkt hin. Und aus Furcht vor Grabschändung kam Mielkes Urne ins anonyme Urnen-Grab.

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Historisches Dokument: Die Trauerrede für Erich Mielke (1907-2000)

Trauerrede
zum Ableben von Armeegeneral a. D. Erich Mielke
Minister für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik,
gehalten am 10. Juni 2000

Die folgende Rede wurde vom Verfasser dieser Webseite, Gerald Praschl bei der Beerdigung von Erich Mielke am 10. Juni 2000 in Berlin-Friedrichsfelde auf Tonband aufgezeichnet, zusätzlich hat der Grabredner Willi Opitz selbst ihm ein Manuskript als Datei zur Verfügung gestellt. Der Verfasser dieser Webseite versichert die Authentizität, distanziert sich aber ausdrücklich vom Inhalt dieser Rede. Sie steht hier als historisches Dokument.  Zur Beerdigung selbst hier ein Bericht („Wer weinte um den Herrn der Angst“)

Mielkes Grabredner, Stasi-General Willi Opitz leitete zur DDR-Zeit die Hochschule des MfS in Potsdam
Mielkes Grabredner, Stasi-General Willi Opitz leitete zur DDR-Zeit die Hochschule des MfS in Potsdam

von Willi Opitz

Trauerrede für Erich Mielke

gehalten am 10. Juni 2000 von dem ehemaligen General des „Ministeriums für Staatssicherheit“ (MfS) der DDR, Willi Opitz (Foto) auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde. General Opitz war einst der Chef der „MfS“-Hochschule in Potsdam.

 

 

 

„Liebe Gertrud,

werte Familienangehörige,

liebe Genossen und Freunde

Das Kämpferherz des Ministers für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik, Armeegeneral a. D. Erich Mielke, hat am 21. Mai aufgehört zu schlagen.

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Grenzen auf? „Wir haben die Russen lieber nicht gefragt“

Interview mit Gyula Horn 1999 in Budapest. Übersetzer Peter Mate, Gyula Horn, Gerald Praschl

Gyula Horn – Ex-Außenminister von Ungarn – Ein Interview mit dem Mann, der den Eisernen Vorhang öffnete. Wie er die Wende heute sieht, was er über die Ostdeutschen denkt. Das Interview führte SUPERillu-Redakteur Gerald Praschl Anfang Mai 1999 in Budapest, es erschien in SUPERillu am 12. Mai 1999.

Eines der berühmtesten Fotos der Wende zeigt Sie im Juni 1989 beim Durchschneiden des Eisernen Vorhangs bei Sopron. Was haben Sie damals empfunden?

Mein einziger Gedanke war, ob ich es überhaupt schaffe, den Draht zu durchtrennen. Die Zange war furchtbar stumpf. Und der Draht sehr stark, offenbar West-Ware.

Am 10. September 1989 ließen Sie alle DDR-Flüchtlinge in Ungarn einfach ausreisen. Waren Ihnen die Folgen bewußt, als Sie sich dazu entschieden?

Ich war auch damals kein Prophet. Wir wollten einfach die Prinzipien des europäischen Rechts durchsetzen. Es war Teil der wichtigsten Sache seit dem Zweiten Weltkrieg, führte zu Deutschlands Wiedervereinigung und zum Ende des Ost-West-Konflikts. Uns war klar, daß wir keine Intervention des Warschauer Pakts mehr fürchten mußten. Gorbatschow hätte das nicht mitgemacht. Um die Russen nicht in die Verlegenheit zu bringen, Stellung nehmen zu müssen, haben wir sie gar nicht erst gefragt. Nur Ministerpräsident Nemeth, Innenminister Pozsgay und meine engsten Mitarbeiter waren eingeweiht. Wir rechneten aber mit harten Wirtschafts-Sanktionen der RGW-Staaten, zu denen es nicht mehr kam.

Wir haben erkannt, daß unser System nicht zum Aufschwung führt

Gyula Horn

Sie sind seit 1989 einer der großen Veränderer in Osteuropa. Warum haben Sie ganz persönlich mit dem Kommunismus gebrochen?

Das war ein langer Prozeß. Dabei haben deutsche Politiker eine große Rolle gespielt. Wir hatten als erstes Ostblock-Land ab 1974 enge Kontakte zur SPD und anderen westeuropäischen Sozialdemokratischen Parteien aufgenommen. Wir studierten, wie die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie in der Praxis funktionieren. Und haben erkannt, daß das, was in Ungarn geschah, dem Land nicht nützt, nicht zum Aufschwung führt. Die Entwicklung in Ungarn unterschied sich deshalb von Grund auf von denen der anderen Ostblock-Länder. Nicht die Straße hat den Systemwechsel erzwungen, sondern es war eine Entwicklung, die von oben, von der Partei ausging.

Ihre Partei nennt sich wie die PDS in Deutschland „sozialistisch“, macht aber eine ganz andere Politik. Was unterscheidet sie von Gysis Truppe?

Solche Leute wie in der deutschen PDS gibt es auch hier bei uns in Ungarn. Auch in unserem Parlament sitzen viele, die im vorherigen System eine Rolle gespielt haben. Unsere sozialistische Partei unterscheidet sich aber grundsätzlich von der früheren Staatspartei. Wir haben eben nicht nur den Namen umgetauft. Wir haben mit der gesamten Auffassung der früheren Staatspartei gebrochen. Deswegen haben wir ungarischen Sozialisten zur EU, zur NATO und zur Marktwirtschaft eine ganz andere Position. Wir sind eine völlig neue Partei.

Die DDR und Ungarn hatten 1989 ungefähr dieselbe Ausgangslage – haben sich aber unterschiedlich entwickelt. Welcher Weg war der bessere?

Die Ostdeutschen hatten im Gegensatz zu den anderen Ostblock-Ländern viel Glück – wegen der vielen Transfergelder aus dem Westen, die dort hinflossen. Ich war seit der Wiedervereinigung oft in Deutschland. Was mir nicht gefallen hat, war, daß man en bloc die ganze DDR-Bevölkerung schuldig gesprochen hat für das, was in der DDR passiert ist. Ein Volk kollektiv zur Rechenschaft zu ziehen, ist eine Schande, absolut inakzeptabel. Für das frühere kommunistische System können die Ostdeutschen doch nichts.

Die Ostdeutschen sollen sich nicht für das DDR-System schuldig fühlen

Gyula Horn

Es wurde ihnen aufgebürdet, wie man es auch uns Ungarn aufgebürdet hat. Die Ostdeutschen sollten sich nicht für das DDR-System schuldig fühlen. Sie sollten aber auch nicht erwarten, daß sie sofort mit dem Westen gleichziehen. Immerhin hat sich der Lebensstandard in der Ex-DDR seit 1990 erheblich verbessert. Bei uns hier in Ungarn hat sich der Lebensstandard sehr verschlechtert. Das ist nicht die Schuld der Demokratie, sondern lag daran, daß wir für die Wende einen viel höheren Preis zahlen mußten. Wir hatten keinen reichen Onkel, der für alles bezahlt.

Beneiden Sie denn die Ostdeutschen um diesen „reichen Onkel“?

Ich beneide niemanden. Ich bedauere nur, daß sich unsere Hoffnung nicht erfüllt hat, der Westen würde für den Aufbau ganz Osteuropas ein Paket schnüren, daß dem Marshall-Plan gleichkommt. Wir wollten keine Almosen, sondern eine Kooperation zwischen Ost und West. Der Westen hätte uns mehr helfen müssen, unsere Transformation zu fördern. Heute weiß ich, daß diese Hoffnung nicht realistisch war. Wie auch Tschechien oder Polen mußten wir Ungarn es aus eigener Kraft schaffen. All diese Völker haben für die Transformation seit 1989 unglaubliche Opfer gebracht. Kein Land hat uns etwas geschenkt. Deswegen jammern wir aber nicht.

Jammern die Ostdeutschen zuviel?

Bei vielen Ostdeutschen gibt es eine unbegründete Unzufriedenheit. Aber ich glaube nicht, daß sich jemand das alte System zurückwünscht, ganz extreme Leute mal ausgenommen. Als ich vor einiger Zeit in den neuen Bundesländern war, von Sachsen bis Brandenburg, habe ich eine unheimlich imposante Entwicklung gesehen – die Baustellen, die Bauten in Erfurt, Dresden oder Potsdam. Unglaublich, was dort geschafft wurde.

Alle wollen Anschluß an Europa finden, auch Russland und die Ukraine

Gyula Horn

Wann wird Ungarn EU-Land?

Ich denke im Jahr 2002. Von allen Anwärtern ist Ungarn am besten geeignet, Mitglied der EU zu werden. Ungarn ist bereits in die EU-Wirtschaft integriert, auch die Rechtsharmonisierung kommt gut voran. Und gerade bei Ungarn braucht keiner zu befürchten, daß unsere Leute in Scharen losziehen, um im Westen zu arbeiten. Die meisten wollen hier zurechtkommen.

Hat Deutschland nach den Ereignissen von 1989 eine besondere moralische Verpflichtung, Ungarn zu helfen?

Nein. Das ist keine Frage der Moral, sondern eine politische Entscheidung. Ich habe da aber keine Befürchtungen. Wenn Ungarn so große Leistungen aufweist, wie wir sie erreicht haben, dann kann uns die EU nicht ablehnen.

Wie wird das neue Europa aussehen, und wo wird seine Ost-Grenze sein?

Alle wollen den Anschluß an Europa finden, auch Rußland und die Ukraine. Alle haben sich das als Ziel gesetzt. Wobei es natürlich in der Lage der einzelnen Länder riesige Unterschiede gibt. Es wird ein Prozeß sein, der sicher noch die ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts in Anspruch nimmt. Aber ohne diesen Aufschluß kann man nicht von einem einheitlichen Europa reden.

1989 setzten Sie sich für offene Grenzen ein. Heute fordern Sie, die EU soll ihre Grenzen gen Osten dichter machen. Wie paßt das zusammen?

Wer kann denn die Scharen von Flüchtlingen aus Asien, Südeuropa oder Afrika verkraften, wer kann sie aufnehmen? Ungarn hat da wirklich reichlich Erfahrungen. In den Kriegen in Jugoslawien seit 1991 gab es Zeiten, in denen sich alleine bei uns in Ungarn 120 000 Flüchtlinge aufgehalten haben. Das verkraften wir nicht. Ich sage nicht, daß wir politisch Verfolgten kein Asyl geben sollten. Natürlich müssen wir diese Leute aufnehmen.

Deutschland ist politisch und wirtschaftlich heute eine Weltmacht

Gyula Horn

Sicher werden in vielen Jahren alle europäischen Grenzen so transparent sein wie zum Beispiel die deutsch-österreichische Grenze. Aber heute geht das nicht. Wenn wir unsere Grenzen zur Ukraine aufmachen, dann sind wir fertig. Das können wir uns nicht leisten.

Welche Rolle wird das neue Deutschland künftig in Europa spielen? Ist es eine Gefahr?

Nein, wo liegt das Problem? Ich weiß von den Vorurteilen, aber das geeinte Deutschland kann doch nichts dafür, daß es 80 Millionen Einwohner hat, wirtschaftlich und politisch heute eine Weltmacht ist.

Was sollen der Westen und die NATO im Balkan-Konflikt tun?

Die Jugoslawienkrise hat nicht gestern angefangen. Kosovo ist nur ein Teil dessen, was seit 1991 in der Region passiert ist. All diese blutigen Kriege, die seitdem geführt wurden, hat die jetzige serbische Führung angefangen. Es ist nicht so, daß wir den Serben jetzt irgendwas in die Schuhe schieben wollen, die haben das schon lange so gemacht, die sind verantwortlich für die Krise. Wenn die politischen Mittel nun erschöpft sind, können wir nicht einfach zusehen und die Serben machen lassen, was sie wollen. Wir müssen es erzwingen, und das geht bei den Serben nicht ohne militärische Kraft. Niemand ist froh darüber, aber das ist keine Frage der Freude. Die Völkergemeinschaft und die NATO können nicht erlauben, daß Diktatoren Menschenrechte mit Füßen treten und ganze Regionen in so eine Krise stürzen.

Einen Bodenangriff auf Serbien kann man nicht generell ausschließen

Gyula Horn

Soll die NATO Belgrad erobern?

Dass Bodentruppen eingesetzt werden, ist noch nicht aktuell. Das hängt davon ab, wie sich die Lage entwickelt, ob man mit den Serben noch reden kann. Das kann man aber nicht voraussagen. Einen Bodenangriff kann man jedenfalls nicht generell ausschließen.

Schliddert der Westen nicht in einen neuen Konflikt mit den Russen?

Die Russen werden sich nicht gegen uns stellen. Rußland wird jetzt alles unternehmen, um ein Abkommen mit Belgrad zustandezubringen. Klar, sie werden den NATO-Angriffen nie zustimmen. Aber ich habe das Gefühl, daß sie diplomatisch immer aktiver werden.

Ist Ungarn bereit, Aufmarschgebiet für NATO-Invasionstruppen zu sein?

Ungarn hat bisher alles getan, was man von einem NATO-Mitglied erwarten kann.

Wären auch ungarische Truppen an einem Bodenangriff beteiligt?

Das steht noch nicht auf der Tagesordnung. Mit Rücksicht auf die ungarische Minderheit in Jugoslawien wäre es besser, wenn keine ungarischen Truppen dabei wären. Aber ausschließen kann man nichts.